Wie die Welt nach Bermersheim kam

Das Weingut Peth-Wetz hat sich einen Platz unter den besten Winzereien in Deutschland erarbeitet. Durch internationale Inspiration, mutige Experimente und die Ambition, sich nie mit dem Status Quo zufrieden zu geben.

Text: Torsten Schlegel
Fotos: Thomas Pirot
25.10.2023

Christian Peth ist guter Laune, obwohl er letzte Nacht nur zwei Stunden geschlafen hat. Die Erntezeit Ende September bis Anfang Oktober ist die anstrengendste Phase des Jahres auf einem Weingut. „Es ist jedes Mal ein Reinquälen, aber es macht auch Spaß“, sagt Peth – für den die Ernte trotz des Schlafmangels die schönste Zeit des Jahres ist. Es muss schnell gehen. Bleiben die reifen Trauben zu lange am Stock, leidet die Qualität. Und an der bestmöglichen Qualität wird bei Peth-Wetz seit fast zwanzig Jahren jedes Jahr neu gearbeitet und experimentiert.

Es gibt mehr als 15.000 Winzer in Deutschland, die jedes Jahr rund 800 Millionen Liter Wein produzieren. Die zehn häufigsten Rebsorten machen davon mehr als 600 Millionen Liter aus. Über Jahrzehnte hielt sich der Vorwurf, in Deutschland würde zu sehr auf Masse, nicht auf Klasse gesetzt. Doch in den letzten Jahren hat sich das geändert. Eine neue Generation von Winzern hat sich Qualität als höchste Priorität gesetzt und bricht dabei mit alten Traditionen. So auch die Weine von Peth-Wetz. Sie wurden dafür mit mehreren Preisen ausgezeichnet und beliefern seit 2020 auch die Restaurants der Autostadt mit ihren Weinen.

Bereits die Urgroßeltern von Christian Peth, 46, haben das Weingut im rheinhessischen Bermersheim bewirtschaftet. Als Kind spielte er in den Weinreben, fuhr mit neun Jahren das erste Mal Traktor. Auf einem Weingut aufzuwachsen, bedeutete für Christian Peth auch von Kindesbeinen an mitzuarbeiten. „Ich kannte ehrlich gesagt nichts anderes als Kind. Wenn man von der Schule nach Hause kam, musste man in den Weinberg raus, wenn man seine Eltern sehen wollte“. Die Arbeit der Kinder sei eingepreist gewesen. In vielen Landwirtschaftsbetrieben ist das bis heute so. Bei den eigenen Kindern macht Peth es anders. Sie sollen selbst entscheiden, wie stark sie sich in das Familiengeschäft einbringen wollen.

Auch bei der Art, Wein herzustellen, schlägt Christian Peth einen anderen Weg als seine Eltern ein. Als Jugendlicher habe er infrage gestellt, ob er überhaupt den Familienbetrieb weiterführen wolle. Die Eltern produzierten Fasswein, der nicht von den Winzern selbst in Flaschen abgefüllt, sondern in Fässern verkauft wird. Zum Beispiel an Discounter, die den Wein von verschiedenen Gütern in großen Mengen zu Eigenmarken vermischen. Diese Art der Produktion interessierte Peth wenig. Eine Ausbildung zum Winzer machte er trotzdem. Denn Wein wollte er immer machen, egal welchen Hauptberuf er sonst gewählt hätte.

Die Eltern empfahlen ihm, nach der Ausbildung eine Weile ins Ausland zu gehen. Peth war Anfang 20 als er nach New York ging und bei einem Weingut auf Long Island unterkam. Das Ehepaar mit deutsch-libanesischen Wurzeln, das den kleinen „Paumanok Vineyard“ betreibt, hatte keinen Hintergrund im Winzerhandwerk. „Die Frau war gelernte Krankenschwester, der Mann bei IBM. Die haben sich dieses Weingut gekauft und wussten in vielen Punkten nicht so richtig, was sie tun.“ Die Fachkenntnis von Peth konnten sie gut gebrauchen. Peth, im Gegenzug, lernte eine Art der Weinherstellung kennen, die an keinerlei Tradition gebunden ist. Er spielte mit dem Gedanken zu bleiben, kehrte dann aber doch nach Deutschland zurück und begann ein Weinbaustudium in Geisenheim. Während des Studiums besuchte er das Weingut auf Long Island noch einmal. Er habe dort gespürt, dass es eine ganze Welt des Weinanbaus gibt, die in Deutschland nicht zu finden sei.

„Jeder kennt deutschen Riesling und ich arbeite daran, dass man auch deutschen Cabernet und Carménère kennenlernt.“


Christian Peth

Nach dem Studium habe er diese Welt in „Andrew Harris Vineyards“ in Mudgee, 260 Kilometer nordwestlich von Sydney wiederentdeckt. Auch im Weingut „Odfjell“ am Stadtrand von Santiago de Chile habe er diese Welt gefunden. Peth sagt: „In der Zeit, als ich dort hingegangen bin, hatte diese neue Weinwelt für mich einen Vorsprung vor der alten Weinwelt in Europa. In Sachen Wissen und in Sachen Weinqualität“. Insgesamt verbrachte er zweieinhalb Jahre auf Weingütern im Ausland und brachte von dort vor allem eins mit: Ideen.

2005 kehrte Peth zurück nach Bermersheim und blieb in seiner Heimat. Er begann, kleine Stücke des elterlichen Guts, auf dem weiter Fasswein produziert wurde, für den Anbau von besonderen Weinsorten zu nutzen. Vor allem Rotweinen, die er auf seinen Reisen schätzen gelernt hat, wollte er in der klassischen Weißweinregion zum Durchbruch verhelfen. Die Nachbarn runzelten die Stirn bei den exotischen Rebsorten, die Peth anpflanzte. „Wenn ich ‚Petit Verdot‘ sagte, wussten die gar nicht, was es ist. Auch nicht alle Winzer.“ Peth sagt das nicht herablassend, sondern fast traurig.

Er möchte den Deutschen diese Weine näherbringen. „Jeder kennt deutschen Riesling und ich arbeite daran, dass man auch deutschen Cabernet und Carménère kennenlernt.“ Die Vermarktung übernimmt hauptsächlich seine Frau, Maja. Sie schreiben Weinzeitschriften an und verschickt Proben, die Reaktionen sind positiv. Die Weine erhalten Auszeichnungen und Lob in der Fachpresse, finden ihren Weg in gehobene Hotels und feine Restaurants. So zum Beispiel auch in das „Esszimmer“ und den „BEEF CLUB“ in der Autostadt.

Peth sagt, er sei eher ein Einzelgänger, der lieber im Weinberg als unter Leuten ist. „Ich bin nicht der menschenfreundlichste Geselle“, sagt er, und lacht, eine Mitarbeiterin widerspricht ihm direkt. Sein Traum wäre es, Wein ohne finanziellen Druck anbauen zu können. Sich allein der Qualität zu widmen, ohne die wirtschaftliche Notwendigkeit, populäre aber für ihn uninteressante Rebsorten anpflanzen zu müssen. Wie groß die Rolle von gutem Wein in Christian Peths Leben ist, merkt man sofort im Gespräch mit ihm.

Besonders wichtig ist ihm, bei der Entwicklung seiner Weine nicht stehen zu bleiben und sich auszuruhen. Die Zeit seiner eigenen Reisen ist vorbei, aber Inspiration aus der weiten Welt der Weine kommt mittlerweile zu ihm nach Rheinhessen. Junge Menschen, die mehr über seinen Wein lernen wollen, auf dem Hof mitarbeiten, und ihre Weinkultur mitbringen. Der stete Wille zu experimentieren ist wichtig, beim Anbau wie beim Genuss von Wein.

Peth empfiehlt seinen Kunden, sich nicht starr an Althergebrachtes zu klammern. Zur Begleitung von Fleisch muss nicht reflexhaft zum Rotwein gegriffen werden. „Wir bauen einen Weißwein in Holzfässern aus, der ist so kraftvoll und intensiv, der sticht viele Rotweine einfach aus.“

Die neue Weinwelt, die Christian Peth nach Deutschland gebracht hat, schafft Raum für neue Traditionen. Tief in Details über seine Weine versunken, merkt Christian Peth, dass er das Gespräch leider beenden muss. Der Sohn ist auf einen Geburtstag eingeladen und kommt sonst zu spät – das geht vor.

Wenn Sie sich von den Weinen selbst überzeugen wollen, buchen Sie direkt einen Tisch für Ihren nächsten Besuch in der Autostadt.

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